28.10.2021

Auf der Suche nach den grössten Affen

 

Es ist schon einige Jahre her, als ich erstmals von einer Kollegin hörte, dass sie nach Ruanda reisen würde. Und es vergingen nochmals ein paar Jahre bis ich von Ruanda als nächstmöglichen hippen Reiseort zu Ohren bekam.

Dann kam Corona. Frühling und Sommer 2020 war es kein Thema für uns irgendwo hinzureisen. Zum einen bestand noch die generelle Reisewarnung, zum anderen waren wir ja gerade erst unterwegs…

Dann kam die Aufhebung der generellen Reisewarnung des Bundes. Unter den wenigen Ausnahmen befand sich eben auch dieses Ruanda. Das kleine Binnenland in Afrika, das gerne als die “Schweiz von Afrika”, “Silicon Valley von Afrika” oder auch als das “Land der vielen Hügel” bezeichnet wird. Ruanda hat die Corona-Pandemie im Griff und das gut (hier der Blogpost zu Reisen während Covid-19-Zeiten) und auch sonst überzeugte uns das Land hinsichtlich der Sehenswürdigkeiten. Auf die Frage “Was tut man denn in Ruanda” vom Umfeld, konnten wir daher antworten: “Wir prüfen, ob’s dort die grösseren Affen gibt, als bei uns” Grund genug also unsere Koffer zu packen und inmitten einer Pandemie nach Afrika zu reisen.


Allgemeines und Kuriositäten über Ruanda: Roboter in Spitälern, monatlicher Putztag und Plastikverbot

Ruanda ist in vielen Belangen sehr fortschrittlich: Am letzten Samstag vom Monat wird jeweils geputzt – nicht nur im eigenen Heim, sondern auf öffentlichen Plätzen und Strassen. Jeder Bürger ist dazu verpflichtet. Dementsprechend sauber sieht das ganze Land auch aus und herumliegendes Plastik sieht man nur selten.

Die Einfuhr von Plastiksäckchen ist zudem verboten und in Krankenhäuser hausieren Roboter, die unter anderem Covid-19-Patienten das Fieber messen.

Bei Bekanntgabe, dass wir nach Ruanda reisen würden, kam postwendend die Rückfrage: “Herrscht da nicht Krieg”? Nein – und zwar schon seit Juli 1994 nicht mehr. Ein kurzer Bürgerkrieg von nur wenigen Monaten, der aber fast einer Million Menschen das Leben kostete. Damals bekriegten sich Nachbarn untereinander und so durchlief Ruanda einer der schlimmsten Völkermorde der jüngeren Vergangenheit. Auch hier: Ruanda hat gelernt. Mehrmals machen uns Menschen darauf aufmerksam, dass sie eine Nation und eine Gemeinschaft sind. “Es gibt kein der oder die – es gibt nur ein WIR”.

So fortschrittlich das Land auf der einen Seite ist, so rückständig ist es in anderen Bereichen. Zum Beispiel bei der Industrialisierung: Es wird oft mit Holz gearbeitet, aber Sägereien sind den Einheimischen kein Begriff. Stattdessen wird das Holz von Hand zu Brettern verarbeitet. Auch Häuser werden mit wackeligen Gerüsten und viel Manpower gebaut; ein Kran sucht man vergebens.

Die Menschen transportieren alles aus eigener Kraft: auf dem Kopf, unter dem Arm oder mit dem Velo und laufen Kilometer um Kilometer bis zum Ziel. Am liebsten hätten wir uns einen Pick-Up besorgt und den Menschen geholfen.
Aber was machen die Menschen dann mit der Zeit? Im Gegensatz zu weiten Teilen in Mittel- und Südamerika oder auch Asien sind die Menschen in Ruanda immer etwas am Tun. Sie laufen, sie waschen, sie arbeiten oder sie spielen. Sie sind andauernd in Bewegung. Ein reges Treiben, dass auf unserer Seite für viel Bewunderung sorgt.

Drei Affen-Trekkings: Schimpansen, Berggorillas und Goldmeerkatzen
Schimpansen-Trekking im Nyungwe Nationalpark und Canope Walk

Früh morgens um 5 Uhr ging es los. Wanderhosen, Regenjacke, Rucksack und Kamera sowie Lunchpaket haben wir angezogen respektive eingepackt und unser Guide fuhr uns zum Nyungwe Nationalpark. Dort wartete ein anderer Guide. Die Fahrt zog sich über eine Landstrasse hin. Wir bemerkten sofort, dass Touristen hier eher selten sind. Kinder winken uns zu, rennen dem Fahrzeug hinterher und wenn wir aussteigen, um zu fotografieren, laufen alle auf uns zu und beobachten uns neugierig. Vor Ort angekommen, fragt unser Guide Evariste, ob wir einen “Porter” mitnehmen wollen. “Porter” ist ein undankbarer Ausdruck; eher sollten diese Helfer genannt werden. Sie tragen den Rucksack und bieten Hand auf den steilen Wegen voller Schlamm. Rucksack tragen können wir selber, hingegen wenn es wirklich schlammig wird, da war ich doch um eine helfende Hand dankbar. Nebenbei unterstützt das Trinkgeld die Familie respektive die Gemeinde (ca. 10-15 USD pro Helfer), denn diese sind darauf angewiesen. Seit dem Ende des Genozides ist Schulbildung obligatorisch. Die Helfer sind aber in unserem Alter und hatten somit noch keine Schule besucht.

Ich bin äusserst dankbar für Joel – meinem Helfer. Es ging schnurstracks das Loch hinab und trotz helfender Hand fielen wir das eine oder andere Mal auf den Allerwertesten. Es war schlammig, nass und wie sich später herausstellte, ist das Schimpansentrekking als anstrengendstes Trekking bekannt.

Circa zwei Stunden später erreichten wir unser Ziel. Dank den Trackern, die sich grösstenteils für den Tourismus den ganzen Tag im Wald befinden, konnten wir rund zehn Schimpansen ausfindig machen. Diese turnten herum, sprangen von Baum zu Baum und entschieden sich dann es sich gemütlich auf dem Waldweg zu machen – leider fast immer mit dem Rücken zu uns.

Es war sehr beeindruckend und auch wunderschön die Tiere so im Freien zu beobachten. Als dann plötzlich ein Schimpanse auf mich zugerannt kam,  hab ich mich kurzerhand hinter Stefan versteckt. Da hilft auch kein “Don’t be scared” von unserm Nyungwe Nationalpark Guide, denn in meiner Welt ist es nicht üblich, dass ein halbgrosser Affe einfach mal auf mich zurennt.

Eine ganze Stunde bestaunten wir die Tiere. Danach ging es glücklicherweise nicht mehr quer den Busch hinauf, sondern schön ruhig dem Wanderweg entlang. Unterwegs machten wir eine Pause und erfuhren, wie man eine Passionsfrucht oder eine Tomatenfrucht ohne Besteck isst.

Gorilla und Goldmeerkatzen Trekking im Virguna Volcano Nationalpark

Ein paar Tage später stand ein weiteres Trekking auf dem Programm. Endlich ging es los und wir konnten es kaum erwarten die seltenen Berggorillas zu sehen. Ein wenig nervös war ich schon. Ob es wohl wieder quer hinab durch den Dschungel ging?

Lange waren die Berggorillas vom Aussterben bedroht. Mittlerweile gibt es rund 20 Berg-Gorilla Familien, die sich im Virguna Gebiet zwischen dem Kongo, Ugana und Ruanda frei bewegen. Noch gibt es nur knapp genügend Berggorillas und trotzdem wird der Lebensraum schon eng. Gerade in Kongo ging viel Lebensraum für die Öl-Suche verloren. Wer mehr darüber wissen möchte, dem legen wir den Netflix-Film “Virguna” ans Herz.

Auf der Fahrt zum Park informierte unser Guide uns über die Gorilla-Familien. Es gibt u.a. 1-2 Familien mit Babys, 1 Familie mit 6-jährigen Zwillingen und eben auch die berühmte Susa-Familie aus Netflix. Wir besuchten die Hirwa Familie mit den Twins. Hirwa heisst Glück, weil diese Familie eben Twins zur Welt brachte. Der Silberrücken und das Familienoberhaupt wird auch “Mister Lucky” genannt. Übrigens wurde eine andere unbesuchbare Familie mit den Nachnamen von unserem Guide benannt. Eine schöne Ehre für den bekanntesten Guide in Ostafrika. Evariste gehört zu den Top-Guide in Ostafrika, wenn nicht sogar für Afrika. Er arbeitete 3 Jahre für “National Geographic” in Uganda und ist der persönliche Safari-Guide für den armenischen Prinzen.

Auch hier wurde uns zu Beginn wieder die Frage gestellt, ob wir einen “Porter” “Helper” wollen. Evariste versicherte uns zwar, dass das Trekking einfacher wird, aber wenn wir damit die Einheimischen unterstützen können, dann tun wir das gerne.

Das Trekking war wirklich massiv einfacher. Und wir hatten mehrfach Glück. Einerseits trafen wir auf dem kurzen Weg schon die Goldmeerkatzen an, welche wir für einen anderen Tag bereits gebucht hatten. Und 10 Minuten später waren wir auch schon bei den Berg-Gorillas. Ich verstehe allerdings mittlerweile warum man dickere Wanderhosen und Handschuhe für das Trekking empfiehlt. Es gibt da so ein Gewächs in diesem Dschungel, das bei leichtester Berührung durch die dünnere Wanderhose zu beissen vermag. Zum Vergleich: Unsere Nesseln fühlen sich da wie Seidenpapier an.
Es biss dermassen, dass ich zu meiner Schande das grosse schwarze Bündel im hohen Gras kaum sah. Aber da war er. Der Silberrücken, Mister Lucky persönlich. Was für ein Erlebnis, denn ich war keine 2 Meter von ihm entfernt. Unglücklicherweise war er ein wenig faul und lag nur so da – was ich allerdings getan hätte, wenn er plötzlich aufgestanden wäre, weiss ich auch nicht so genau… Wir sahen die Zwillinge beim debuggen respektive entläusen, der Silberrücken der sich dann doch noch bewegte und auf der Suche nach den Bambus-shots war, sowie weitere Mitglieder der Hirwa-Familie. Normalerweise wird auf den Abstand von 7 Metern geachtet – während der Corona-Zeit beläuft sich dieser auf 10 Meter. Trotzdem sind es Tiere, die sich frei bewegen und halt manchmal nur wenige Zentimeter an uns vorbeiflitzten. Übrigens: Wir grunzen, damit die Gorillas wissen, dass wir ihnen positiv gesinnt sind – erwidern sie das selbige Geräusch, werden wir akzeptiert. Husten die Gorillas, so heisst es vorsichtig aber rasch Abstand zu gewinnen. Wie bei uns in der Menschenwelt eben auch :-). Ich bin immer noch restlos begeistert, dass wir diese Berggorillas erleben durften. Wie auch bei den Schimpansen werden die Familien maximal eine Stunde pro Tag von einer Gruppe besucht. Eins will noch gesagt werden: Das Gorilla-Trekking ist in Ruanda am teuersten. Das Geld fliesst aber zu 100% in das Research-Gorilla-Programm, dass den Nachhaltkeitspreis von Lonely Planet 2021 gewinnt. Dank diesem Programm kann erstmal berichtet werden, dass das Aussterben der Berggorillas vorläufig gestoppt ist. Es lohnt sich also – mehrfach.

Am nächsten Tag machten wir uns erneut auf den Weg zum Nationalpark, um uns ausschliesslich auf die Goldmeerkatzen zu fokussieren. Vorab gab es wieder ein Briefing und einen wunderbaren Kaffee. Und wir waren wieder erfolgreich, was aber gar nicht so selbstverständlich war. Auf dem Berg-Gorilla-Trekking erzählte uns ein Ehepaar, dass sie zuvor zwei Goldmeerkatzen-Trekkings absolviert haben und keine Golden Monkeys aka Goldmeerkatzen gesehen haben. So können wir uns glücklich schätzen, dass wir diese gleich an zwei Tagen bestaunen durften. Diese sind sicherlich die flinkeren Affen und doch einfacher zu bestaunen und fotografieren, als die Schimpansen. Auch am dritten Tag vermochte unsere Affen-Begeisterung nicht abzunehmen. Solche Tiere in der Wildnis zu bestaunen, gehören zu den einmaligen Erlebnissen überhaupt. Und als die Mama-Goldmeerkatze mit ihrem Baby umher hüpfte, vergass so mancher seine Kamera zu zücken… Auf jeden Fall macht das Lust – auf mehr Affen.

Ruanda: Safari mit den Big 5

Da Ruanda nicht unbedingt mit Safaris wirbt, sondern sich eher auf die Affentrekkings konzentriert, haben wir nur einen Tag für die Safari eingeplant. Etwas wenig im Nachhinein, aber wir beide hätten nicht damit gerechnet, dass wir da soviel zu sehen bekommen: In 4 Stunden sahen wir viele Elefanten, Zebras, Giraffen, einen Löwen, unzählige Hippos, Warzenschweine und Antilopen. Ich liebe die warme Sonne in der kühlen Luft am Morgen früh in der Steppe und dabei noch die Tiere zu beobachten können, war einfach unbeschreiblich. Für einen Safari-Urlaub würde ich trotzdem immer noch Namibia vorziehen. Aufgrund des Wassers kommt man dort näher an die Tiere heran. Wer aber in Ruanda ist, sollte sich trotzdem der Akagera Nationalpark nicht entgehen lassen. Auch hier haben wir nochmals eine für uns neue Affenart entdeckt: Anubispavian oder auch der grüne Pavian genannt.

Hier stehen wir und im Hintergrund sind die Hippos zu sehen. Hätten wir gewusst, wie schnell (rennend und schwimmend) Hippos sein können, wären wir wohl nicht so lange dort am Fotografieren gewesen.

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